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Das Berufsbild der Psychotherapeuten

Das Berufsbild der Psychotherapie in Deutschland ist, ähnlich wie auch in anderen Ländern, sehr uneinheitlich. Den Beruf des Psychotherapeuten gibt es im vollen rechtlichen Umfang erst seit dem sogenannten 'Psychotherapeutengesetz' aus dem Jahr 1998. Seitdem erhalten Psychotherapeuten, die im Grundberuf Psychologen oder Pädagogen sind, nach einer entsprechenden psychotherapeutischen Ausbildung eine Approbation, ähnlich der eines Arztes. Für die Ärzte selber jedoch ist die Psychotherapie ein Fachgebiet innerhalb der Medizin, für das sie eine Facharztausbildung oder eine Weiterbildung zu einem sogenannten 'Zusatztitel' machen können.

Dieses Durcheinander ist ein Erbe aus den geschichtlichen Anfängen der Psychoanalyse, die die erste ausgearbeitete und umfassende Form der Psychotherapie war. Sigmund Freud, ihr Begründer und von Haus aus Arzt (Neurologe), wurde sich schon bald darüber klar, dass er etwas entwickelt hatte, was unter dem Dach der Medizin keinen rechten Platz finden konnte. Die wissenschaftliche Psychologie steckte damals noch in den Kinderschuhen, so dass auch sie als Heimat nicht in Frage kam.

Die Psychoanalyse hielt deshalb immer großen Abstand sowohl von der Schulmedizin als auch von der akademischen Psychologie. Sie war aber ausdrücklich auch als ein Heilverfahren konzipiert, und so wurde von Freud die Gleichsetzung von Heilkunde und Medizin, von der auch heute noch viele Ärzte ohne weiteres ausgehen, in Frage gestellt und für die Psychoanalyse abgeschafft. Ganz konsequent ließ Freud auch Nicht-Ärzte zur psychoanalytischen Ausbildung und Praxis zu, und als im Jahre 1925 der Psychoanalytiker Theodor Reik in Wien wegen Ausübung der Heilkunde ohne ärztliche Bestallung angeklagt wurde, setzte er sich vehement für ihn ein.

Weiterhin formte Freud das Bild des Psychoanalytikers als eines mit einer eigenen unverwechselbaren Identität ausgestatteten Berufes, bei dem es keine Rolle spielt, was der Analytiker für einen Grundberuf mitbringt. Diese Politik wurde von sehr vielen europäischen psychoanalytischen Instituten beibehalten. Es gab jedoch auch innerhalb der psychoanalytischen Bewegung große Widerstände gegen die Haltung Freuds, mit dem Resultat, dass sich in manchen Ländern die (Freudsche) Psychoanalyse eine Zeit lang fest in den Händern der Medizin befand und so gut wie ausschließlich von Ärzten ausgeübt wurde.

In weiten Teilen Europas, auch in Deutschland, hat sich aber die historische Ausgangslage im Wesentlichen bis heute erhalten. Der Kreis der für Psychotherapeuten in Frage kommenden Grundberufe wurde zwar in vielen Ländern auf Mediziner und Psychologen eingeschränkt, aber es bleibt die Spaltung in ebendiese Grundberufe, die durch die Entwicklung der akademischen Psychologie und der in ihr entwickelten neuen Therapieformen (vor allem natürlich der Verhaltenstherapie) noch um eine verfahrensspezifische Dimension innerhalb der Psychotherapie vermehrt wurde.

So haben wir auch heute noch die Front derjenigen, die die Psychotherapie grundsätzlich der Medizin (als der in ihren Augen allein legitimen akademischen Heilkunde) zuordnen, so dass Psychologen als Nicht-Mediziner dafür eigentlich nicht kompetent sind, und die Front derjenigen, die die Psychotherapie als psychologische Heilkunde verstehen und damit erstens die Gleichsetzung von Heilkunde und Medizin aufheben und zweitens die Psychotherapie eindeutig außerhalb der Medizin ansiedeln.

Für ärztliche Psychotherapeuten, die ihre Approbation als Ärzte erhalten und die Psychotherapie als Fortbildung bzw. Facharztweiterbildung gemacht haben, ist die erstere Haltung durchaus verständlich. Wäre nämlich die Psychotherapie ein Gebiet außerhalb der Medizin, wären sie dafür ja möglicherweise nicht zuständig oder nicht kompetent, auch wenn sie dieselbe psychotherapeutische Ausbildung vorweisen können wie ihre psychologischen Kollegen.

Das genau Entgegengesetzte gilt aber für Psychologen (und andere Grundberufe): wäre die Psychotherapie ein Gebiet/Verfahren innerhalb der Medizin, so wären sie als Nicht-Ärzte nicht oder nur als 'Heilhilfsberuf' zuständig.

Diese Spaltung des psychotherapeutischen Berufsbildes kann man auf der formalen Ebene wahrscheinlich so lange nicht endgültig vemeiden, wie der Beruf des Psychotherapeuten nicht durch eine einheitliche Approbation repräsentiert ist (die ein Arzt nach Abschluss der psychotherapeutischen Ausbildung zusätzlich zur ärztlichen Approbation erhält).

Es besteht leider nicht viel Hoffnung, dass wir in absehbarer Zeit dahin kommen werden...

-2005-

© Hans Metsch
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