pro domo

"Fachgebundene Psychotherapie"?


Wie ich leider erst vor kurzem mitbekommen habe, hat der 106. Deutsche Ärztetag im Jahre 2003 eine neue Weiterbildungsordnung für seine Mitglieder beschlossen. Danach ist es nun möglich, dass jeder Facharzt mit einem Viertel des für Psychotherapeuten geltenden Ausbildungsaufwandes die Berechtigung erhalten kann, sogenannte "Fachgebundene Psychotherapie" auszuüben. Er darf dann also bei Patienten aus seinem Fachgebiet die Psychotherapie gleich mitmachen.

Das ist so ähnlich, wie wenn man einem Psychologen mit einem Viertel des für Ärzte vorgeschriebenen Aufwandes erlauben würde, Hirnoperationen durchzuführen, weil er sich ja schon psychologisch mit dem Gehirn beschäftigt hat!

Dieses Vorgehen zeigt, wie wenig ernst die Psychotherapie von der verfassten Ärzteschaft genommen wird. Hartnäckig halten diese Herrschaften daran fest, dass Psychotherapie eine Art Nebenjob ist, und wenn sich jemand mit dem Körper auskennt, kennt er sich automatisch auch mit der Psyche aus. Das braucht man nicht richtig zu lernen, das kann sowieso jeder. Und auf genau dieser dilettantischen Basis wird diese "Psychotherapie" dann wahrscheinlich auch ausgeführt!!

Die Psychotherapie ist nicht, wie die Medizin, störungs- bzw. organspezifisch gegliedert (Orthopäde, Augenarzt, usw.), sondern verfahrensspezifisch (Verhaltenstherapie, Psychoanalyse, usw.). Das hat einen guten Grund: Die Psyche ist kein Organ! Und der Zugang zu ihr geschieht nicht durch einen medizinischen, sondern durch einen psychologischen Prozess. Schon allein deshalb grenzt der Versuch, die Psychotherapie nun an die Fachbereiche der Somatik zwangsanzupassen, an Scharlatanerie.

Im Klartext:
Die einzigen, die innerhalb des öffentlichen Gesundheitssystems eine solide Ausbildung als Psychotherapeuten haben, sind
• Fachärzte für Psychosomatik und Psychotherapie (Früher: FA für Psychotherapeutische Medizin),
• Psychologische Psychotherapeuten,
• Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten,
sowie
• in manchen, aber nicht allen Fällen: Fachärzte für Psychiatrie, bzw. Kinder- und Jugendpsychiatrie,
• gelegentlich auch: Fachärzte anderer Fachrichtungen, soweit sie die Bezeichnung "Psychoanalyse" (nur diese zählt!) führen dürfen.

-2004-



© Hans Metsch
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